Loslassen

Franziska Hauenstein, 23.08.2023

Loslassen

Letzte Woche ist mir ein Eichhörnchen vor die Füsse gefallen… ich sass auf einer Bank am Waldrand, als es einfach so neben mir vom Baum auf den Boden gefallen ist. Es war ein noch rechts junges Eichhörnchen und hat noch gelebt, aber es ging ihm nicht gut. Ich habe es sofort mit Wasser versorgt und mit der Eichhörnchenstation telefoniert, um es vorbeibringen zu können. Es ging dem Kleinen aber zunehmend schlechter, es musste noch einen regelrechten Todeskampf ertragen und später auf dem Weg zur Eichhörnchenstation ist es dann gestorben.

Ich habe so geweint, das Tierchen hat mich so tief berührt, seine Verletzlichkeit, sein Kampf und schliesslich auch sein Tod. Das Erlebnis hat mich danach noch stark beschäftigt. Ich habe mich gefragt, was es wohl bedeuten könnte – dieser Sturz direkt neben mich hat sich schon stark nach einer wesentlichen Botschaft angefühlt…

Seit Monaten versuche ich, endlich wieder einmal einen neuen Blog-Beitrag zu schreiben oder endlich mit meinem Buch-Projekt anzufangen… unzählige Ideen schwirren in mir herum, aber es wollen einfach keine Worte aus mir herausfliessen. Hat mir das Eichhörnchen einen A…tritt verpassen und mich zum Schreiben auffordern wollen? Stimmt, es wäre doch schade, die vielen Ideen und guten Absichten wie Nüsse irgendwo in meinem Bewusstsein zu horten, auf später zu verschieben und dann irgendwann nicht mehr zu wissen, wo sie vergraben sind.

 

Aber seit Nero nicht mehr lebt, scheint irgendwie auch meine Inspiration für das Schreiben wie verschollen… Oder rede ich mir das ein? Vielleicht blockiert mich auch einfach die Angst, nie mehr so aus dem Herzen heraus schreiben zu können, wie wenn ich mit, zu oder über Nero geschrieben habe – dass sich alles fahl anfühlt und somit auch keine Herzen mehr erreichen kann….

Nero… Der Tod des Eichhörnchens hat mich natürlich auch wieder an den Abschied von Nero erinnert und ich habe mich kurz (und irgendwie widerwillig) gefragt, ob es ev. um Loslassen gehen könnte…? Bei diesem Gedanken sind mir sofort die Tränen in die Augen geschossen und ich habe sie schnell wieder weggedrückt…

Ich gebe zu, ich trauere immer noch sehr um Nero und ich hänge irgendwie auch noch an ihm… Und es gibt Stimmen in mir, die mir einreden, dass es anders sein sollte und dass etwas nicht mit mir stimmt, weil ich immer noch so trauere, dass ich ihn loslassen müsste…

 

Am Abend vor dem Insbettgehen habe ich noch eine Kerze für das kleine Eichhörnchen angezündet und mich bei ihm bedankt – dafür, dass es gelebt und zumindest mein Leben bereichert und bewegt hat.

In dieser Nacht hatte ich einen sehr intensiven Traum: Ich habe Nero beerdigt, ich habe seine Asche der Natur zurückgegeben… es hat sich so stimmig und richtig angefühlt und das Schönste war, dass Nero die ganze Zeit irgendwie da war… nicht in seiner gewohnten Hunde-Form, sondern als seine Energie, sein Geist…

Am Morgen beim Aufwachen war dann Traurigkeit da und an diesem Morgen habe ich ein volles Ja zu dieser Traurigkeit gefunden und es sind feine, reine Tränen aus meinen Augen geflossen. Später ist dann eine neue, sehr wohlwollende Stimme in mir aufgetaucht: «Ja, ich fühle tief und intensiv und ja, das ist ok so!» Und dann ist ein tiefer, warmer, ruhiger Frieden in mir eingekehrt…

Ich muss Nero nicht loslassen… er ist immer da, diese Erfahrung habe ich gemacht. Er ist nicht als Hund mit Fell und Krallen da, aber als seine ganz eigene Energie und als reine Liebe. Loslassen heisst wohl eher fliessen lassen… Gefühle, Tränen, das Leben…

 

«Danke, kleines Eichhörnchen, du hast mich zutiefst berührt, bewegt und inspiriert. Du hast mir weitergeholfen auf meinem Weg. Du hast mich begleitet in meinem Trauerprozess und warst ein Zünglein an der Waage auf meiner Selbstannahme-Reise.»

Mit den Tränen fliessen jetzt auch meine Worte wieder…

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